Donnerstag, 22. März 2012

Die Vorurteile gegenüber dem gewaltfreien und belohnungsbasierten Training von Hunden

Gewaltfreies und belohnungsbasiertes Training heißt Hunden Verhaltensweisen beizubringen durch
- positive Verstärkung: etwas Angenehmes zufügen
- und negative Strafe: etwas Angenehmes entfernen
Hingegen wird die Arbeit mit negativer Verstärkung (etwas Unangenehmes hört auf) und positiver Strafe (etwas Unangenehmes zufügen) aus Tierschutzgründen und aus Fairness abgelehnt!

Negative Verstärkung und positive Strafe brauchen keine Belohnungen, wie Leckerlis, Spiel oder Aufmerksamkeit. Das Ende von Bedrohungen oder Schmerzen zwingt den Hund in das vom Menschen geforderte Verhalten. Moralisch und ethisch untragbar, keine Diskussion.


Etwas Angenehmes zufügen bedeutet häufig im Training, dem Hund Belohnungen in Form von Leckerlis, Spiel oder etwas zu geben, das dem Hund gerade wichtig ist (Schnüffeln lassen, Ableinen, positiv trainiertes Alternativverhalten, ...).

(nicht das Mittel meiner ersten Wahl: reine Abstandvergrößerung zum "Problem"verhaltensauslöser als Diskussionspunkt: http://eileenanddogs.com/2013/10/22/negative-reinforcement-escape/)


Übrigens: Streicheln ist nur selten eine Belohnung:


















Besonders Belohnungen wie Leckerlis sind skurrilerweise der Grund, dass diese Art von Training belächelt und als "Wattebausch werfen" bezeichnet wird:


1. Vorurteil: antiautoritäre Erziehung ohne Grenzen.

Unsinn! Selbstverständlich lernen Hunde, die gewaltfrei erzogen werden, auch Grenzen kennen. Meine Hunde stehlen mir mein Essen nicht aus der Hand, gehen an der durchhängenden Leine, akzeptieren ein "nein, jetzt nicht", springen bei Öffnung der Autotür erst hinaus, wenn ich sie frei gebe, ...
Hans Black vor etwas über einem Jahr im Tierheim:
misstrauisch Fremden gegenüber, weil sein Vertrauen durch
harte Trainingsmethoden zerstört wurde
und er gelernt hatte, sich zur Wehr zu setzen.

Als - more or less - Opportunisten machen Hunde nicht lange etwas, was ihnen nicht den erwarteten Erfolg bringt. Außerdem wundert sich ein Hund, der gewaltfrei erzogen wird, über ein spontanes "äh, äh" im Alltag (nicht in einer Trainingssituation, die plant eine TrainerIn!) viel eher und bricht sein Verhalten eventuell ab, als einer, der durchaus auch härtere Einwirkung gewohnt ist (das ist keine Ähäh-Anleitung selbstverständlich).

2. Vorurteil: "Mein Hund folgt nur, wenn ich ihm das Leckerli vorher zeige."

Das passiert genau dann, wenn man vom Level des Lockens auf einmal Gehorsam ohne Belohnung fordert. Bringt man einem Hund "Sitz" bei, indem man ihm ein Leckerli über die Nase hält, und belohnt ihn dann, wenn der Hintern runter geht, macht er das selbstverständlich wegen des Futters in der Hand. Wird nun plötzlich (weil der Hund schon "alt genug" ist ...) ein "Sitz" gefordert, ohne Leckerli oder Handzeichen, hat der Hund natürlich erst mal keine Ahnung davon, was er tun soll. TrainerInnen, die Locken und/oder Futterbelohnung ablehnen, sollten sich schleunigst in Sachen Motivation und Lernverhalten weiterbilden.

3. Vorurteil: "Der Hund machts nur fürs Leckerli."
Hans Black in freudiger Erwartung mit Praktikantin:
durch gewaltfreies und belohnungsbasiertes Training.

Naja ... für wen sonst? Für mich als seine Herrin? Aus Gründen der Rangordnung? Befehlen sich Hunde im Hunderudel gegenseitig "Sitz, Platz, Fuss, Aus" oder gar "Pfui Laut"? Ich denke nicht! Selbstverständlich machts der Hund primär für eine Belohnung bzw. eine angenehme Konsequenz seines Verhaltens. Von absolutem Gehorsam auszugehen, ist brauner Schnee von vorgestern. Hunde sind Lebewesen, die (genauso wie wir Menschen) Fehler machen und nicht perfekt sind. Sind sie nicht gerade deshalb so liebenswürdig?

4. Vorurteil: "Mein Hund nimmt beim Training von Hund-Hund-Aggression kein Futter."

Hier treten gleich multiple Verständnisprobleme auf. Und zwar nicht auf Seiten des Hundes. Wenn ein Hund in einer Situation nichts essen möchte, ist er entweder krank, die Wertigkeit des Futters ist zu gering oder er ist überfordert. Fehler der TrainerIn, nicht des Hundes. Keine Legitimation für Bedrohungen, Leinenruck oder Schlimmeres, sondern mehr Abstand zum anderen Hund.

5. Vorurteil: "Ich muss allen Auslösern ausweichen und arbeite nicht am Problem."

Selbstverständlich müssen potenzielle Auslöser von Angst- oder Aggressionsverhalten vermieden werden. Gewaltfreies und faires Training ist keine Konfrontationstherapie, in der Unerwünschtes korrigiert wird, schließlich weiß der Hund ja auch gar nicht, was von ihm verlangt wird. Dass das im Alltag nicht immer perfekt durchzuführen ist, ist klar. Dafür gibt es dann Management-Maßnahmen, die verhindern, dass sich das "Problem"verhalten weiter festigt. Die Arbeit am "Problem" bedeutet also, zuerst den Auslösereizen auszuweichen und erst in zweiter Linie an der Reizschwelle zu arbeiten.

6. Vorurteil: "Ich lenke meinen Hund bei Hundesichtung ab, es wird nicht besser."

Tja, Ablenken ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern eine Managementmaßnahme für den Alltag. Gekonnte Gegenkonditionierung hat nichts mit Ablenken zu tun und wirkt! Außerdem ist es beim Training von Hund-Hund-Aggression auch möglich und sinnvoll, den Hund beispielsweise durch eine Vergrößerung des Abstands zum Auslöser zu belohnen.

7. Vorurteil: "Spätestens bei einem Aggressionsproblem Menschen gegenüber muss auch mal eine harte Hand her."
Schutzhundetraining mit Stachelhalsband
und Elektroreizgerät

Da stimme ich zu. Eine harte Hand braucht die TrainerIn, die so einen - im übrigen gefährlichen! - Schwachsinn verbreitet. Denn gerade für den Hund unverständlich harte Bestrafungen und veraltete Trainingsmethoden, die auf Zwangs- und Strafmaßnahmen aufbauen, sind häufig Ursache von Aggressionsverhalten Menschen gegenüber. Das schließt den angeblich "tierschutzkonformen" Umgang mit Hilfsmitteln wie Erziehungsgeschirr, Sprühhalsband oder gar Elektroreizgerät (illegal!) genauso aus, wie den "normalen" Leinenruck am Kettenwürger ... auch wenn er als konditioniertes taktiles "Richtungssignal" verharmlost wird. Das Training eines tauben Hundes durch eine sprachlose TrainerIn ausgenommen.
Und selbst wenn dieses "harte Durchgreifen" funktioniert, haben wir es hier dann mit "erlernter Hilflosigkeit" zu tun...

In diesem Sinne: weiter Wattebäusche werfen!





2 Kommentare:

Tanja hat gesagt…

Musste ich mir so oft anhören, genau diese "Argumente". Ich habe den Schwachsinn auch mal geglaubt, allerdings habe ich mich weiterentwickelt. Deshalb verstehe ich nicht, wenn man schon so nett ist und es ausführlich erklärt, dass das Gegenüber nicht zumindest mal nachdenkt...

Belohnen macht ja nicht nur dem Hund Spaß, sondern auch mir. Und warum aus "andere Hunde doof = andere Hunde okay" machen?

Canis sapiens hat gesagt…

danke, tanja!
stimmt, belohnen macht dann auch als mensch viel mehr spass, als sich dauernd zu ärgern. :-)