Donnerstag, 10. November 2011

Wie zeitgemäß ist 'Schutzhundesport'? - Fördern 'Hetzärmel' das Image von Hunden in der Öffentlichkeit?

Utl.: Tierschutzrechtsexpertin DDr. Regina Binder im Interview


   Wien (OTS) - In den vergangenen Tagen wurde seitens diverser
Hundeverbände viel unternommen, um den unter heftige Kritik geratenen
'Schutzhundesport' ins rechte Licht zu rücken. Mag. Alexander Willer,
Vizepräsident des Verbands Österreichischer Tierschutzorganisationen
pro-tier, und VIER PFOTEN-Hundeexpertin Mag. Ursula Aigner werfen
unisono die Frage auf: "Wie zeitgemäß und tierschutzkonform ist diese
'Sportart' wirklich? Fördern 'Hetzärmel' das Image der Hunde in der
Öffentlichkeit?"
   Dazu DDr. Regina Binder, Tierschutzrechtsexpertin der
Veterinärmedizinischen Universität Wien, im Interview (ungekürzt).

 1. Ist 'Schutzhundesport' Ihrer Ansicht nach zeitgemäß und 
    vereinbar mit einem modernen Tierschutzgesetz?

   DDr. Binder: "Aus meiner Sicht ist die Schutzhundeausbildung
grundsätzlich nicht zeitgemäß. Vor allem Halter großer Hunde werden
heute oftmals angefeindet, daher sollten sich eigentlich alle
Hundefreunde darum bemühen, das Image der Mensch-Hund-Beziehung in
der hundekritischen Öffentlichkeit zu verbessern. Man kann lange
darüber diskutieren, ob bei der Schutzhundeausbildung nur der Beute
bzw. Spiel- oder doch auch der Aggressions- bzw. Wehrtrieb gefördert
wird. Fakt ist, dass der 'Schutzdienst', eine Teildisziplin der
Schutzhundeausbildung, ein Beißtraining beinhaltet, das am sog.
'Hetzärmel', also an einer Attrappe, die eine Hilfsperson am Arm
trägt, ausgeübt wird. Der Hund lernt also sozusagen, auf Kommando
anzugreifen und in den Hetzärmel zu beißen. Dieses Szenario halte ich
generell, also auch auf dem Sportplatz, für nicht geeignet, ein
friedvolles Miteinander zwischen Mensch und Hund zu fördern. Zudem
ist es nach dem Tierschutzgesetz grundsätzlich unzulässig, die
Aggressivität und Kampfbereitschaft von Tieren zu erhöhen. Eine
Ausnahme für sportliche Aktivitäten ist hier nicht vorgesehen. Auch
wenn die Schutzhundeausbildung nicht auf eine Steigerung der
Aggressivität abzielt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese,
z.B. bei unfachgemäßer Durchführung der Ausbildung oder durch den
unkundigen Umgang mit dem ausgebildeten Hund, doch erhöht wird.
   Der professionelle Einsatz von Hunden ist gesondert zu betrachten:
Die Ausbildung von Diensthunden der Sicherheitsexekutive und des
Bundesheeres, also von Polizei- und Militärhunden, unterliegt
Spezialvorschriften. Abgesehen von diesen ganz genau geregelten
Bereichen könnte die Schutzhundeausbildung nur im Hinblick auf Hunde,
die von privaten Wachgesellschaften zum Zweck des Zivilschutzes
eingesetzt werden, als gerechtfertigt gelten. Hier sollten die
Voraussetzungen nach dem Vorbild der Diensthundeausbildung im
Hinblick auf Zulassung, Durchführung und Nachschulungen rechtlich
geregelt werden. 

 2. Aus dem von Ihnen erstellten Rechtsgutachten geht hervor, dass 
   die Schutzhundeausbildung eine 'gewisse Affinität' zu illegalen 
   Hilfsmitteln wie z.B. Elektroreizgeräten hat. Können Sie das 
   näher erörtern?

   DDr. Binder: "Aus der einschlägigen Literatur lässt sich unschwer
erkennen, dass die Schutzhundeausbildung traditionell mit
'Starkzwangmethoden', d.h. mit der Anwendung von Strafreizen und z.T.
eben auch mit dem Einsatz nunmehr verbotener Hilfsmittel, assoziiert
wird. Das liegt auch nahe, da sie aus einer Zeit stammt, in der man
noch recht wenig über das (Lern-)Verhalten von Hunden wusste und auch
das Tierschutzbewusstsein noch nicht sehr ausgeprägt war. Die 'besten
Freunde des Menschen' wurden früher eben nicht ausgebildet oder
trainiert, sondern dressiert bzw. abgerichtet."
 
 3. 'SchutzhundesportlerInnen' argumentieren, dass sich im Training 
    der Hunde in den letzten Jahren vieles zum Besseren gewendet 
    hat, dass Brutalität gegenüber den Hunden nicht mehr toleriert 
    wird, dass es nur darum geht, die Hunde freudig auszulasten. 
 
Deckt sich diese Argumentation mit Ihrem Befund?

   DDr. Binder: "Man kann sicher nicht alle Personen, die ihre Hunde
zu Schutzhunden ausbilden lassen, über einen Kamm scheren. Viele
Befürworter der Schutzhundeausbildung distanzieren sich mittlerweile
ausdrücklich von der Anwendung tierschutzwidriger Methoden. Das
Problem besteht aber darin, dass im Einzelnen nicht kontrolliert
werden kann, welche Methoden tatsächlich zur Anwendung kommen. Nach
dem Wiener Tierhaltegesetz ist die Schutzhundeausbildung seit Mitte
2010 aus gutem Grund verboten. Zum Teil wird hier die Auffassung
vertreten, dass der 'Schutzsport' von diesem Verbot nicht erfasst
wird. Aus meiner Sicht ist das allerdings rechtlich nicht gedeckt:
Hat ein Hund die Schutzhundeausbildung einmal absolviert, so kann
nämlich in keiner Weise sicher gestellt werden, zu welchem Zweck der
Hund im Laufe seines Lebens, z.B. auch im Falle eines Halterwechsels,
eingesetzt wird. Der Hinweis, die Ausübung des Schutzdienstes auf dem
Sportplatz diene der verhaltensgerechten Auslastung der Hunde, mag
zutreffen. Sicher ist aber auch, dass es viele andere,
unbedenklichere Möglichkeiten gibt, Hunde verhaltensgerecht zu
beschäftigen."
 
   pro-tier ist ein Verband von 21 österreichischen Tierschutzorganisationen und hat ebenso 
wie VIER PFOTEN Sitz und Stimme im Tierschutzrat, dem Beratungsgremium des für 
Tierschutz zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit.
 

Rückfragehinweis:
   Mag. Alexander Willer, Mitglied des Tierschutzrates und Vizepräsident von pro-tier, 0699/ 1660 40 30